Interview mit Klaus Prietzel, Bürgermeister der Muster-Gemeinde Schipkau für den Einsatz von Erneuerbaren Energien
Klaus Prietzel ist Bürgermeister der Gemeinde Schipkau in Brandenburg. Die Region um Schipkau im Landkreis Oberspreewald-Lausitz ist Modellregion für den Ausbau Erneuerbarer Energien. Im unmittelbaren Umfeld von Schipkau befinden sich mehrere Solar- und Windkraftanlagen, unter anderem der Solarpark Senftenberg/ Meuro, der in öffentlicher Berichterstattung immer wieder als Positivbeispiel der Energiewende, speziell auch als Produzent von grünem, regionalem Strom, erwähnt wird.
Herr Prietzel: Warum haben Sie sich dafür entschieden, auf Erneuerbare Energien zu setzen?
In der Gemeinde Schipkau stehen seit 1996 Themen der Erneuerbaren Energien auf der Tagesordnung. Anlass dafür waren seinerzeit die Vorläufer des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sowie Aktivitäten der rot-grünen Landesregierung. Dies führte in der Folge Investoren in die Gemeinde Schipkau. Die diesbezügliche Zusammenarbeit brachte auch Angebote an die Gemeinde mit sich, am Erfolg der Projekte teilzuhaben.
Zudem sind hier „auf dem flachen Land“ schon seit Langem viele Anzeichen dafür zu sehen, dass sich die Umgebung, die Natur und damit unsere Lebensbedingungen durch Klimaveränderungen nachteilig beeinflusst werden. Auch aus diesem Grunde war die Gemeinde bereit, sich frühzeitig für die Energiewende zu engagieren, zumal Schipkau über 100 Jahre lang zum Kern des Lausitzer Braunkohlenreviers zählte.
Wie schwierig war es, eine politische Mehrheit für das Projekt zu gewinnen?
In den zurückliegenden Jahren war es hierzulande vergleichsweise einfach, Mehrheiten für Projekte der Erneuerbaren Energien zu finden.
Ein wichtiger Grund ist, dass Schipkau in der Startphase großes Glück mit einem mittelständischen Investor hatte, der seine finanziellen Zusagen gegenüber der Gemeinde bereitwillig erfüllte. Schipkau konnte davon profitieren und wiederum in die Erneuerung der kommunalen Infrastruktur investieren. Diesen Zusammenhang zwischen intakten, modernen Ortschaften und stabilen Kommunalfinanzen nimmt auch die Einwohnerschaft wahr. Die Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien zahlen sich direkt und indirekt für die Menschen, die in deren Umfeld leben, aus. Dies ist – auch dank der inzwischen bundespolitisch völlig veränderten Sachlage – auch weiterhin der Fall. Die Gemeinde ist Vorreiter auf dem Gebiet und partizipiert nachweislich von der Entwicklung.
Wie haben Sie auf Kritik reagiert?
In der Frühphase wurden – teils durch „eingeflogene Gegner“ – Halb – und Unwahrheiten über Erneuerbare Energien verbreitet. Die damaligen Gemeindevertreter bewiesen Rückgrat, und so neigte sich in der Folge aus den oben genannten Gründen die sprichwörtliche Waagschale hin zur Akzeptanz und Befürwortung von Projekten der Erneuerbaren Energien. Ganz entscheidend und wichtig ist dafür jedoch die Frühphase solcher Projekte.
Wie sehen die Bürger heute das Projekt?
Die im Gemeindegebiet Schipkau befindlichen Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien werden weitüberwiegend positiv bewertet. Die Bürger nehmen schon wahr, dass die Gemeinde finanziell stabil aufgestellt ist, sich fortwährend neuen Investitionen leisten kann und zugleich die kommunalen Steuern und Abgaben vergleichsweise gering sind. Unterschwellig führt dies auch im Vergleich zu anderen umliegenden Kommunen zu einem gewissen Stolz über das Erreichte.
Für Schipkau war ein erheblicher Rückgang der Einwohnerzahl prognostiziert worden. Real führt die gegebene Wohn – und Lebensqualität dazu, dass die Einwohnerzahl seit Jahren stabil ist und das Durchschnittsalter im Vergleich zur Umgebung sogar unterdurchschnittlich ist.
Zudem nimmt die Bevölkerung auch wahr, dass Klimawandel und zuletzt die energetische Abhängigkeit von anderen Staaten Handlungsbedarf nach sich ziehen. Dies wird nun bundesweit und auch bundespolitisch erkannt. Schipkau hat auf diesem Gebiet „seine Hausaufgaben“ bereits von 20 Jahren erledigt. Dies zahlt sich für den Ort aus, und so generiert sich auch daraus ein gewisser Stolz darauf, frühzeitig die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben.
Welche Vor- und Nachteile mussten gegeneinander abgewogen werden? Eingriffe in die Natur sind ja notwendig hinsichtlich Fläche oder auch Tierschutz. Nach welchen Prioritäten wurde bzw. sollte hier verfahren werden?
Hier noch einmal kurz der Hinweis darauf, dass Schipkau einen gewissen Sonderfall darstellt, da sich die Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien nahezu komplett auf Konversionsflächen des früheren DDR-Braunkohlebergbaus befinden. Diese weisen damit bereits eine deutlich geringwertigere ökologische Ausstattung auf. Es wurden quasi industriell vorgeprägte Flächen – und damit „keine unberührte Natur“ nachgenutzt. Mithin war die Hemmschwelle für derartige Großvorhaben geringer.
Dazu kommt: die kürzlich dazu getroffenen gesetzlichen Veränderungen sind Beleg für eine veränderte Gewichtung. Erneuerbare Energien haben aktuell ein „übergeordnetes öffentliches Interesse“.
Was sind die größten Vorteile für die Bürger hier in Schipkau?
Seit rund 25 Jahren haben wir keine kommunalen Steuern und Abgabesätze erhöht. Real bedeutet das einen Rückgang der Abgabenlast. Die Kommune kann sich dank vertraglicher Leistungen, der Gewerbesteuer und der neuen 0,2 Cent/kWh-Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz freiwillige Aufwendungen in der Vereinslandschaft, bei Veranstaltungen oder bei öffentlichen Einrichtungen erlauben. Unsere öffentliche Infrastruktur – zum Beispiel top sanierte Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten – ist intakt. Und: Unser „Bürgerbonus Windpark Klettwitz“ garantiert jedem Einwohner die Auszahlung von 80 Euro über 24 Monate als Gegenleistung für die allgemeine Akzeptanz des großen Windparks.
Was sind für Sie als Politiker die entscheidenden Pluspunkte der Erneuerbaren Energien für Schipkau?
Da ist zunächst die stabile finanzielle Situation der Gemeinde, unter anderem durch einsetzende Gewerbesteuerzahlungen. Dadurch bekommen wir die Möglichkeit, für bestimmte Aufgaben neue Fördermittel einzuwerben. Nicht zu unterschätzen ist die allgemeine Vorreiterfunktion der Gemeinde und die dadurch gegebene bundesweite öffentliche Wahrnehmung. Die damit verbundene Würdigung unserer Arbeit macht uns ein stückweit stolz.
Wie entwickelte sich der Immobilienmarkt der Kommune?
Die Immobilienpreise entwickelten sich entgegen den Angst-Szenarien der Gegner durchweg positiv. Der gestiegene Wohn– und Aufenthaltswert sowie die sanierte öffentliche Infrastruktur im Gemeindegebiet führten zu einer höheren Nachfrage nach Bauland, ebenso ist auch der Wohnungsleerstand unterdurchschnittlich.
Auf welche Aspekte sollten Gemeinden besonders achten, die wie Schipkau auf erneuerbare Energien umstellen wollen?
Wichtig ist die Nutzung aller öffentlich-rechtlichen Möglichkeiten zur Teilhabe am Erfolg der Projekte. Dazu zählen Erlöse für Infrastruktur, Brandschutz, Vermietung und Verpachtung und die Realisierung ökologischer Ausgleichsmaßnahmen. Hinzu kommt die Prüfung gemeinsamer Projekte der Energiewende vor Ort. Hier denke ich an die Unterstützung bei der Umrüstung kommunaler Gebäude. Schließlich spielen auch Regelungen zum Betriebssitz bezüglich Gewerbesteuern eine Rolle.
Wie aufwändig war bzw. ist der Genehmigungsprozess?
Den Aufwand würden wir als durchschnittlich bezeichnen, wobei sich eben eine frühzeitige und proaktive Mitwirkung der Gemeinde am Ende auszahlt.
Haben Sie durch die Umstellung insbesondere beim Thema Photovoltaik eine Auswirkung auf das Klima hier in Schipkau feststellen können?
Nein. Die Veränderungen sind großräumiger – und u.a. beim „Dürremonitor“ überregional ablesbar.
Mit Blick auf die großflächigen PV-Anlagen im Gemeindegebiet sind mehrere Dauer-Monitoring-Leistungen geregelt worden. Erkennbar sind seither eine Erhöhung der Artenvielfalt in PV-Gebieten sowie positive Wirkungen auf den Mikro-Wasserhaushalt – bedingt durch die Teilverschattung des Untergrundes.
Welche Flächen sind aus Ihrer Sicht für große Photovoltaik-Anlagen besonders gut geeignet?
Der Gesetzgeber hat hierzu festgeschrieben, dass Konversionsflächen auf Halden, Deponien oder ehemaligen militärischen Flächen, Areale entlang von Bahnstrecken und Autobahnen sowie die volle Ausnutzung baulicher Anlagen, wie große Parkplätze oder Hallendächer, Priorität besitzen.